Gischt donnert gegen die Bordwand.
Ich reiße die Augen auf, kann aber nichts erkennen.
Herzrasen im Dunkeln. Das Bettlaken ist nass von Schweiß.
Ächzend neigt sich das Schiff im Sturm.
Etwas rollt über den Tisch neben meinem Bett, klirrt irgendwo dagegen.
Ich taste nach dem Lichtschalter, zucke zurück als meine Hand etwas berührt. Etwas Großes, einen Körper! Direkt neben mir.
Wo bin ich?!
„Hallo…“ Nichts. „Ist da…“
Kein Atem zu hören. Die Angst kriecht durch jeden Millimeter meines Körpers. Eine weitere Welle erschüttert das Schiff und ich zucke zusammen. Metallen dröhnt es in meinen Ohren, die Muskeln verkrampfen zu Stein.
Behutsam drehe ich mich und suche nach einem Schalter.
Der Kahn krängt sich zur anderen Seite und die Wasserflasche auf dem Tisch rollt in dem Moment wieder los, als das Licht angeht. Noch halbblind greife ich danach; zu spät. Sie erreicht in dem Moment die Tischkante und zersplittert ein Augenzucken später auf dem Boden in tausend Stücke.
Ich traue mich nicht, mich umzudrehen. Wer auch immer da liegt: er müsste wachgeworden sein. Eine Schweißperle rinnt mir über die Wange zum Hals hinab und über die nackte Brust. Ich atme einmal ein und drehe mich um.
Und sofort überwältigt mich das Grauen.
Hyperventilierend starre ich in den Badspiegel. Das Wasser, das ich mir soeben ins Gesicht geworfen habe, rinnt an mir hinab, verwischt sich mit Blut.
Was ist hier los? Verdammte Scheiße! Ich habe keine Ahnung, wo ich bin oder wie ich hierher komme. Und ich weiß verdammt nochmal nicht, wie diese Leiche in meine Kabine kommt oder wer der Tote überhaupt ist.
Meine erste Reaktion war: raus hier! Aber die scheiß Tür war verschlossen. In Panik riss an der Klinke, donnerte dagegen, aber das Ding ließ sich nicht öffnen. Weil sich nichts anderes bot, warf ich mich gegen die einzige andere Tür, die zur Verfügung stand, und floh ins Bad.
Ich fülle meine Hände mit einer weiteren Ladung Wasser. Es rinnt über meine blutige, verschwitzte Stirn als ich mich näher im Spiegel betrachte. Ich erkenne mich, auch wenn meine Haut fahl ist, meine Augen tiefe Furchen ziehen – aber… Ich weiß nicht, wo ich bin oder wie ich verdammt nochmal hier her komme. Warum liege ich nackt und mit Blut beschmiert in der Kajüte irgendeines Schiffes, neben mir ein Toter? Erst jetzt bemerke ich, dass mein Bart mindestens fünf Tage alt sein muss. Ich sehe entsetzlich aus. Und in diesem Moment realisiere ich noch etwas ganz Anderes.
Ich weiß auch nicht, wer ich bin!
Panik überfällt mich, ich starre in den Spiegel und versuche krampfhaft, mich an einen Namen zu erinnern. Nichts.
Schon wieder Schweißausbruch. Mein Hirn scheint ein tiefer schwarzer Brunnen, in den ich hinabblicke, ahne, dass dort unten etwas sein muss. Aber ich kann nichts erkennen. Gar nichts. „Wer bist du?!“, brülle ich den Menschen im Spiegel an. „Und wer ist der da?!“
Ich traue mich nicht, wieder da raus zu gehen. Zu dem Toten. Oder soll ich…
In diesem Moment erst entdecke ich den Zettel, den man eigentlich gar nicht übersehen kann, weil er quasi genau in der Mitte des Spiegels klebt. Muss durch ihn hindurch gesehen haben. Ich bin nicht zurechnungsfähig, definitiv. Meinem Verstand ist nicht zu trauen. Und das, was ich jetzt auf dem Zettel lese, raubt mir den letzten Rest an klarem Denken.
WAS IMMER DU TUST. VERTRAU KEINEM !!
Scheiße. Ich habe keine Ahnung, wie mein Name lautet oder wo ich mich befinde. Ja, ich weiß noch nicht einmal, warum ich mir dessen sicher bin: aber ich weiß definitiv, dass das meine eigene Handschrift ist auf diesem Zettel.
Und dann fällt mein Blick auf den rechten unteren Rand des kleinen Notizzettels; ein typischer Post It, wie man sie überall zu Werbezwecken geschenkt bekommt.
Und dort steht in kleinen gefährlichen Lettern:
